Den Schwächsten beissen die Hunde: Seoanes Gladbacher Scheitern mit Ansage
Die aktuelle Krise war die Letzte. Nach etwas über zwei Jahren und insgesamt 78 Pflichtspielen (Punkteschnitt 1,22) ist Gerardo Seoane nicht mehr länger Trainer von Borussia Mönchengladbach. Saisonübergreifend zehn Spiele ohne Sieg und null Tore nach drei Spieltagen vereinfachten den Fohlen diesen Entscheid. Doch der Luzerner ist bei Weitem nicht der Alleinschuldige am aktuellen Gladbacher Schlamassel.
Eine Krise zu viel
Im Herbst 2023 ging es noch einmal gut. Erst im Sommer gekommen, rettete Gerardo Seoane am 9. Spieltag mit einem 2:1 gegen den 1. FC Heidenheim seinen Job. Es folgte eine wettbewerbsübergreifende Serie mit vier weiteren Siegen und einem Unentschieden in sechs Spielen und die Hoffnung, Seoane und die Fohlen mögen diese Entwicklung doch ins Fussballjahr 2024 mitnehmen. Doch nach einer schwachen Rückrunde (17 Punkte aus 17 Spielen) stand man ziemlich genau vor einem Jahr erneut mit dem Rücken zur Wand. Nach abermals nur zehn Punkten aus neuen Spielen raschelte es im rheinischen Blätterwald bereits gewaltig, ehe Seoane mit einem 4:1 Heimsieg gegen Werder Bremen abermals den Kopf aus der Schlinge zog. Im Anschluss spielten sich die Fohlen kurzzeitig sogar in den Dunstkreis der Europapokalplätze, ehe die Mannschaft in der Schlussphase der Meisterschaft komplett einbrach. Was der Beginn einer echten Entwicklung hätte sein können, entpuppte sich im Nachhinein als Anfang von Seoanes Ende in Gladbach.
Mangelnde Aussenwirkung
Denn mit dem Unentschieden beim FC St. Pauli am 28. Spieltag der vergangenen Spielzeit begann für die Fohlen eine Phase von zehn Spielen ohne Sieg, die mit der sonntäglichen 0:4-Niederlage gegen Bremen ihren negativen Höhepunkt erlebt. Seoane war nicht mehr haltbar – weil er nicht mehr siegte und es in knapp 26 Monaten nicht geschafft hatte, das Umfeld rund um den Borussia-Park zu 100 Prozent von sich zu überzeugen. Das hat natürlich mit der mangelnden sportlichen Entwicklung der Fohlenelf zu tun, aber auch mit Seoanes relativ nüchterner, sachlicher Art, die zum emotionalen und traditionsreichen Verein nie so richtig passen wollte. Natürlich hätte der gebürtige Luzerner sein Gladbacher Kritiker wie einst Lucien Favre mit anhaltendem sportlichen Erfolg zum Verstummen bringen können. Anders als dem Westschweizer gelang ihm dies aber nicht.
Ein Klub ohne Plan
Dass der bald 47-jährige nie in die Fussstapfen seines erfolgreichen Schweizer Vorgängers treten konnte, lag aber nicht nur an Seoane selbst. Im Klub, der in der Saison 20/21 noch im CL-Achtelfinale spielte, geht die Entwicklung mittlerweile seit mehreren Spielzeiten in die falsche Richtung. Aus finanziellen Gründen, aber auch, weil es der Führung um Präsident Rainer Bonhof und Sportdirektor Roland Virkus an einem klaren Plan und innovativen Ideen fehlt. Vergangene Saison bewiesen die Gladbacher mit der Verpflichtung von Stürmer Tim Kleindienst zwar wieder einmal ein glückliches Händchen, dieses stellte aber eher die Ausnahme, als die Regel dar. Und auch die Tatsache, dass man nach einem enttäuschenden Saisonfinale trotz Zweifeln mit Seoane in die neue Spielzeit ging, weist der Gladbacher Führung kein gutes Zeugnis aus. Bleibt zu hoffen, dass die Borussia bei der Verpflichtung eines Nachfolgers ein besseres Näschen haben wird, als zuletzt bei der Suche nach einem Ersatz für den verletzten Tim Kleindienst. Mit Haris Tabakovic, dem in der Schweiz gescheiterten und in Österreich und in der 2. Bundesliga wieder aufgeblühten ehemaligen U21-Internationen, haben sich Virkus & Co. nämlich nicht wirklich einen Gefallen getan. Insbesondere im Vergleich zum sonntäglichen Widersacher aus Bremen, der sich zuletzt mit einem Stürmer vom Kaliber eines Victor Boniface verstärkte.
Ist Seoane gescheitert?
Am Gladbacher Schicksal Gerardo Seoanes hätte vermutlich auch ein Transfer dieser Grössenordnung wenig verändert. Zu viel Goodwill und vor allem auch Glauben an die Fähigkeiten des dreifachen Schweizer Meistertrainers waren in den vergangen zwei Jahren bereits verloren gegangen. Kommt hinzu, dass Seoane auch in Leverkusen nur ein Jahr zu überzeugen wusste, ehe er die Werkself nach zwei Siegen in zwölf Spielen im Herbst 2022 verlassen musste. Gut möglich, das der ehemalige Schweizer U21-Internationale karrieretechnisch nun erst einmal einen Schritt zurück wird machen müssen, um sich in einer kleineren Liga (der Schweiz?) wieder für ein Engagement auf grosser Bühne zu empfehlen. Das ist Seoane in ebensolchem Masse zuzutrauen, wie er wird beweisen müssen, dass er es nicht nur mit den Möglichkeiten eines Liga-Krösus wie YB versteht, tollen und erfolgreichen Fussball spielen zu lassen.