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Exklusiv - Patrick Fischer «Die Luft ist ganz oben sehr dünn»

Andy

Am Montag startete die Schweizer Eishockey-Nati in Kloten in die Vorbereitung auf die WM 2025 in Schweden und Dänemark. Im Zentrum steht dabei, mit dem Team das Maximum herauszuholen und erfolgreiches Eishockey zu spielen – das betont Nationalcoach Patrick Fischer im Interview und stellt klar: «Unser Traum lebt, natürlich haben wir irgendwann auch den ganz grossen Wurf mit dem WM-Titel im Kopf.»

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Patrick Fischer ist seit bald zehn Jahren Headcoach der Schweizer Eishockey-Nati. © IMAGO / Mediafab.ch

Die Nati startet in Kloten in die Mission WM 2025, also da, wo ihr im vergangenen Mai nach dem Gewinn von WM-Silber empfangen worden seid. Ein spezielles Gefühl?

Patrick Fischer: Es ist eine gute Erinnerung, ja. Es war der Abschluss der Reise 2024, die schwierig gewesen war. Wir hatten ein wichtiges, aber hartes Jahr, in dem wir auch untendurch mussten und das wir am Ende feiernd beenden konnten. Es ist lange her, aber es wäre gelogen zu sagen, dass man dies einfach vergisst. Man soll nicht in der Vergangenheit bleiben, doch sie füllt den Rucksack. Uns hat diese Zeit viel Vertrauen und Motivation gegeben, wir haben viel erlebt, sind aber noch nicht dort, wo uns unser grosser Traum eines Tages hinführt. Wir ändern unsere Ziele nicht, aber es ist ein schwieriger Prozess, um eines Tages ganz oben anzukommen. Nun fängt dies alles wieder hier in Kloten an. Mit neuen Gesichtern, auch im Staff, und mit jungen Spielern, denn wir haben schon während der Saison gesagt, dass wir neuen Schwung in die Mannschaft bringen wollen. Es besteht jedenfalls eine grosse Vorfreude. Mal schauen, was in diesem Jahr herauskommt. 

Würden Sie heute für eine erneute Silbermedaille unterschreiben?

Es würde die ganze Spannung rausnehmen, wenn wir bereits wüssten, wie die WM endet. Ich bin mir bewusst: Jede Medaille an einer WM, egal wo, ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte. Aber schlussendlich geht jeder, der das Gefühl hat, über das nötige Potenzial zu verfügen, an den Start, um zu gewinnen.

Der WM-Titel als grosses Ziel…

Wir gingen 2016 an die WM und sagten: Wir wollen eines Tages den letzten Schritt machen, nachdem wir 2013 schon Vizeweltmeister geworden waren. 2018 und vor einem Jahr durften wir das wiederholen, aber unser Traum, den wir als Schweizer Eishockey hoffentlich eines Tages mal erleben dürfen, der lebt. Das ist unser Leuchtturm, zu dem wir uns hinbewegen, sonst wären wir mit Silber ja zufrieden. Wir dürfen uns aber nicht zurücklehnen, müssen noch besser werden, hart arbeiten – und der WM-Titel ist unser Ansporn.

«Wir haben nun eine neue Chance, und wir werden alles daran setzen, um in die Position zu kommen, um die Goldmedaille spielen zu dürfen.»

Und Sie glauben auch daran.

100 Prozent! Es ist für mich auch ein Zeichen, ein Vertrauensbeweis an die Spieler. Ich glaube an unsere Spieler, den Staff, das Land, dass wir es hinkriegen, eines Tages oben zu stehen. Wir haben nun eine neue Chance, und wir werden alles daran setzen, um in die Position zu kommen, um die Goldmedaille spielen zu dürfen. 

Spüren Sie ein Kribbeln oder ist die Vorbereitung Business as usual?

Es ist für mich immer wieder eine schöne Zeit. Während der Saison habe ich wenig Kontakt mit den Spielern und dem Staff, wir sind sehr wenig zusammen. So freue ich mich immer enorm auf den April und den Mai. Betreffend Vorbereitung sind wir mittlerweile routiniert und wissen, wie viel und was es braucht, wie man die Mannschaft Woche für Woche vorbereiten kann. Ja, es kribbelt, und in diesem Jahr ist es noch etwas anders, weil wir wissen, dass es Veränderungen in der Mannschaft gibt, das sehen wir jetzt schon. 

Das heisst?

Stammspieler wie Gaëtan Haas, Calvin Thürkauf, Tristan Scherwey oder Fabrice Herzog, die letztes Jahr noch dabei waren, sind verletzungsbedingt nicht dabei. Zudem wissen wir heute noch nicht, wie viel Support wir aus der NHL haben werden, so dass wir mit mehreren neuen Spielern antreten werden. 

Besteht überhaupt noch viel Luft nach oben, wenn man schon Silber gewonnen hat?

Es zeigt, dass wir vieles gut machen und in den letzten Jahren gelernt haben. Aber wir sind uns auch bewusst, dass es mega schwierig ist, obenaus zu schwingen. Das gilt für alle Teams. Bei allem Respekt für eine Top-Nation wie Schweden: Sie hatten nach ihren WM-Titeln 2017 und 2018 in den Folgejahren etwas Mühe. Das zeigt: Gewinnen ist nicht einfach, die Luft ist ganz oben sehr dünn. Und ja, es gibt Bereiche, in denen wir ganz klar besser werden müssen. 

Woran denken Sie?

Wir müssen wieder schneller umschalten, überfallartiger attackieren, in der Offensivzone variabler werden und mehr Tore schiessen, das ist unser Hauptthema. Wir haben in dieser Saison zu wenig Tore erzielt, gleichzeitig darf man nicht die Verteidigung vernachlässigen.

«Schlussendlich hat Tore schiessen auch mit Schlauheit auf dem Eis zu tun.»
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Der heutige Trainer weiss, wie es geht: Patrick Fischer feiert an der Heim-WM sein Tor gegen Russland.

Wie oft hat es Sie in den Händen gezwickt und war die Lust gross, den Puck selber reinzuhauen?

Ich war ein intuitiver Spieler, habe das Toreschiessen geliebt. Aber man muss sich fragen, wie viel man als Coach ins Team reingeben will, damit die Freude bleibt und die Spieler nicht Roboter werden. Schlussendlich hat Tore schiessen auch mit Schlauheit auf dem Eis zu tun. Dass man antizipiert, wohin die Scheibe kommt. Damit der Instinkt waltet, muss man aber frei sein im Kopf. Dazu kommt der Wille, den Unterschied zu machen. Der muss bei unseren Schweizer Spielern noch mehr wachsen. Früher waren wir es gewohnt, dass die Ausländer für die Differenz sorgen, aber in der Nati haben wir zum Glück keine Ausländer, da sind es stattdessen wohl unsere NHL-Spieler. Aber ich wünsche mir, dass wir auch in der Offensive stärker durch unsere Schweizer getragen werden. 

Vor einem Jahr waren Roman Josi, Kevin Fiala und Nico Hischier die überragenden Figuren, man ist sehr stark von ihnen abhängig.

Das ist bei anderen Nationen nicht anders. Die Finnen kamen letztes Jahr ohne NHL-Spieler, was sich sicherlich auch auf ihre Resultate auswirkte. Wir haben nicht so viele NHL-Spieler wie andere Top-Nationen, was heisst, dass unsere Schweizer Spieler auf dieses Niveau kommen und bereit sein müssen, die Verantwortung im Abschluss zu übernehmen. Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist. 

So wie dies 2024 beispielsweise bei Christoph Bertschy der Fall war…

Er hat eine mega WM gezeigt. Und auch alle anderen haben ein unglaubliches Turnier gespielt, defensiv die Gegner neutralisiert. Doch betreffend Gamechanger offensiv waren wir zu NHL-lastig. 

Bangen Sie nun bis zuletzt, wer aus der NHL an die WM kommt?

Aktuell ist schon mal ziemlich klar, welche Schweizer es mit ihren Teams in die Playoffs schaffen und welche nicht. Das ist weniger spannend als auch schon. Neben Chicago und Nashville wird es wohl auch Vancouver nicht reichen. Das sind aber die Teams, bei denen die Schweizer wie Roman Josi oder Philipp Kurashev aktuell mit Blessuren kämpfen oder wie bei Pius Suter die Zukunft offen ist und vertragstechnisch Fragen bestehen. Wir müssen die Entwicklung abwarten und nach der ersten Playoff-Runde schauen, wer zur Verfügung steht. Spätestens ein paar Tage zuvor endet auch in der Schweiz der Playoff-Final, und dann wissen wir, mit wem wir rechnen können. 

«In diesen drei Wochen WM kann man emotional sehr viel erleben. Ich habe es auch geliebt als Spieler, obwohl wir gegen den Abstieg spielten. Eine WM ist einfach speziell.»

Es muss Freude machen, wenn Sie sehen, dass die Spieler kommen wollen. Es gab Jahre, da war es anders…

Es ist bemerkenswert, ja. Nicht nur bei den NHL-Spielern, jetzt gerade beispielsweise auch bei Grégory Hofmann, der Vater wurde. Wenn alles stimmt, vor allem auch die Gesundheit, sind sie dabei, keine Frage. Aber klar, es gibt zwei Punkte, die uns helfen. Einerseits wissen alle, dass man eine Medaille gewinnen, vielleicht gar den Coup schaffen kann, da wollen alle dabei sein. Andererseits stehen 2026 mit Olympia und der Heim-WM zwei riesige Highlights an. Und da kennen alle die Regeln: Entweder man ist dabei oder nicht, Cherry Picking gibt es nicht. Aber ich denke, es ist kein Müssen, es ist enorm viel Spass dabei. In diesen drei Wochen WM kann man emotional sehr viel erleben. Ich habe es auch geliebt als Spieler, obwohl wir gegen den Abstieg spielten. Eine WM ist einfach speziell. 

Letztes Jahr spürte man in der ganzen Schweiz eine Euphorie.

Durch den Schlamassel, den wir durchgemacht hatten, bestand ein spezielles Interesse. Dann kamen die NHL-Jungs, die Mannschaft spielte gut und ist den Leuten ans Herz gewachsen. Es kam eine Euphorie auf. Ich denke, man schätzt, dass die Spieler alle kommen und für die Schweiz alles geben. 

Erfolg macht sexy, schürt aber auch Erwartungen. Haben Sie Respekt davor?

Wir haben uns selber in diese Situation manövriert. Es hat mich zweimal fast den Kopf gekostet, als wir schwierige Baissen durchmachten, als es uns nicht gelang zu performen. Da gab es logischerweise viel Kritik. Ich denke, die Leute wissen aber, dass wir mit grossen Ambitionen an ein Turnier reisen und mit der zur Verfügung stehenden Mannschaft das Maximum rausholen wollen. Wir wollen ab Tag eins der WM bereit sein, gutes Eishockey zeigen und über eine positive Gruppenphase Selbstvertrauen für die K.-o.-Spiele sammeln. Wenn uns das gelingt und wir frei im Kopf sind, ist vieles möglich. 

Aber ein Selbstläufer ist die Viertelfinal-Quali nicht…

Das ist absolut so. 2016 legten wir mit dem damaligen Verbandspräsidenten Michael Rindlisbacher eine neue Vision fest. Wir waren in den Top 8, erreichten zuvor ungefähr zu 50 Prozent die Viertelfinals. Unsere neue Ambition war es, in die Top 6 zu kommen. Wir fragten uns, was es dazu braucht und sahen: Man muss immer in den Viertelfinals sein und es ungefähr jedes dritte Jahr in die Halbfinals schaffen. 2019 und 2021 scheiterten wir im Viertelfinal nur ganz knapp, so haben wir dieses Ziel nicht ganz erreicht. Aber wir standen seither zweimal im Final. Nun belegen wir in der Weltrangliste Position 5 und wollen dies auch zementieren. Eine Medaille ist immer unglaublich, alles andere als selbstverständlich und wird auch gefeiert, doch wir haben natürlich auch den grossen Wurf im Kopf. 

WM 2025 heisst auch: Ein Jahr bis zur Heim-WM – ist die im Hinterkopf präsent?

Es wäre gelogen, dies zu bestreiten. Die Vorfreude ist riesig. Wir haben uns in diesem Jahr bei der Selektion bewusst entschieden, auch vorwärts zu schauen. Wenn wir das Gefühl haben, dass jemand nahe, aber noch nicht ganz bereit ist und wir denken, in einem Jahr könnte der fehlende Schritt gemacht sein, werden wir solche Spieler auch mitnehmen. Es ist einfacher, eine zweite WM zu spielen, eine erste WM gleich daheim ist wohl schwieriger. Darauf achten wir, wir denken also ein wenig an 2026. Aber klar, der Fokus bleibt auf dem Hier und Jetzt, wir wollen auch in diesem Jahr eine erfolgreiche Zeit erleben.

«Es ist einfacher, sich seriös vorzubereiten, wenn man Ruhe hat und sich nicht immer erklären muss.»

Wie wertvoll ist es für Sie, dass Sie nun in Ruhe arbeiten können, nachdem Sie in den letzten Jahren immer wieder von den Medien kritisiert wurden?

Es war schon befreiend, und es tut gut. Es ist einfacher, sich seriös vorzubereiten, wenn man Ruhe hat und sich nicht immer erklären muss. Und wir werden uns sicher nicht zurücklehnen und ausruhen, wir haben unser Ziel noch nicht erreicht. Es wissen alle, dass wir mal ganz oben stehen wollen und so können wir uns nicht zufriedengeben. Aber für uns alle, für den ganzen Staff, war es eine angenehmere Saison als im Vorjahr. 

Was bedeutet es Ihnen, dass Sie schon zweimal als Schweizer Trainer des Jahres geehrt wurden?

Ich finde die Awards einen unglaublich coolen Event. Es ist für uns mit der WM aufgegangen, aber ich bin mir bewusst, dass es auch hätte in die andere Richtung gehen können. Es ist eine schöne Anerkennung, die ich im Namen des Teams entgegennehme. Wir sind sieben Personen im Coaching Staff und etwa 20 im gesamten Staff. Es ist ein Dankeschön für die Arbeit im Team, aber ich bin mir bewusst, dass es ganz viele andere Coaches gibt, die das auch verdient hätten.  

Es ist auch ein Zeichen, dass das Eishockey in der Schweiz einen hohen Stellenwert geniesst.

Das ist ein guter Punkt. Die Menschen haben Hockey gerne, die Nationalmannschaft verkörpert gute Werte und ist sympathisch. Wir haben unglaublich gute Spieler und Menschen als Vorbilder. Es freut mich, sie coachen zu dürfen. Ich sage immer: Ich habe das Glück, mit einer Top-Generation etwas zu bewegen. Und wir bewegen uns in die richtige Richtung. 

Und dieser Weg macht Ihnen immer noch Spass, oder?

Absolut! Ich bin tatsächlich schon fast zehn Jahre dabei, hatte aber noch nie meine Mannschaft mit allen Top-Spielern zur Verfügung. An den Olympischen Spielen 2026 sollte es nun möglich sein, dass alle Spieler dabei sind, die ich aufbieten möchte. Und auch eine Heim-WM habe ich als Coach noch nie erlebt. Ich war 1998 als Spieler in Zürich und Basel dabei, als wir irgendwie die Halbfinals erreichten – wie uns das gelungen ist, weiss ich immer noch nicht genau (lacht) – und dort an den Schweden scheiterten. Auf diese Heim-WM in Zürich und Fribourg freue ich mich auch schon heute.

Fischi_04
Patrick Fischer wurde schon zweimal als Schweizer Trainer des Jahres ausgezeichnet.
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