Die Schweiz vermisst hinten die Null
Das 4:2 im Testspiel gegen Mexiko freut vor allem die Schweizer Angreifer. Goalie Gregor Kobel dagegen wartet nach zwölf Einsätzen weiter auf sein erstes Länderspiel ohne Gegentor.
Bei den beiden Gegentreffern in Salt Lake City konnte man Kobel kaum etwas vorwerfen. Beim ersten Gegentor konnte er nichts ausrichten, nachdem der Ball zunächst nicht geklärt worden war und anschliessend unglücklich vom Schweizer Abwehrspieler abprallte. Beim zweiten Treffer wurde der BVB-Goalie zwar mit einem Weitschuss in der nahen Ecke erwischt, allerdings hatte der Angreifer viel Zeit und schloss platziert ab.
So kam Nationaltrainer Murat Yakin in seiner Spielanalyse zum Schluss, dass die beiden Gegentore allgemein besser hätten verteidigt werden müssen. Er käme nicht auf die Idee, Kobels Status zu hinterfragen.
Die Bilanz des 27-Jährigen ist jedoch durchzogen. Seit er nach der EM in Deutschland den Posten der Nummer 1 von Yann Sommer übernommen hat, hat Kobel in sieben Partien 14 Gegentore kassiert, also zwei pro Spiel. Auch in den fünf Partien, die er zwischen 2021 und 2023 bestritten hat, blieb Kobel nie ohne Gegentreffer. Dies trotz Gegnern wie Griechenland, Kosovo oder Andorra.
Es ist ein Leistungsausweis, der andere Goalies in Verlegenheit bringen würde. Kobel jedoch nicht. Denn kaum ein Gegentreffer war bisher auf einen klaren Fehler des Torhüters zurückzuführen. Zudem zeigte Kobel immer wieder mit spektakulären Paraden, welche Qualitäten in ihm stecken. Auch gegen Mexiko sicherte er mit starken Aktionen den Vorsprung der Schweiz zur Halbzeit.
Im Verein überzeugt Kobel mehrheitlich. Zwar war die vergangene Saison nicht durchgehend top, dafür wurde er 2024 und 2023 jeweils zum besten Torhüter der Bundesliga gewählt. Sein kolportierter Marktwert von 40 Millionen Euro wird derzeit weltweit von drei weiteren Torhütern egalisiert (Diogo Costa, Gianluigi Donnarumma und David Raya), aber von keinem übertroffen. Umso überraschender ist es, dass Kobel im Schweizer Nationalteam noch nie die Null halten konnte.
Das letzte Mal ohne Gegentor blieb die Schweiz vor fast einem Jahr - im EM-Achtelfinal gegen Italien (2:0).
Dieser für Kobel unglückliche Umstand ist vor allem auf die vielen Wechsel in der Verteidigung zurückzuführen. Seit dem Ende der EM experimentiert Yakin mit verschiedenen Formationen und sucht die besten Partner für Abwehrchef Manuel Akanji. So bot der Nationaltrainer für die Testspiele im Juni nicht weniger als elf Verteidiger auf. Denis Zakaria, der gegen Mexiko in der Abwehr hätte beginnen sollen, wegen einer Verletzung jedoch wieder abreisen musste, ist dabei nicht eingerechnet.
Aufgrund von Zakarias Verletzung kam Aurèle Amenda zu seinem zweiten Startelf-Einsatz. Der 21-jährige Bieler erhielt in der Innenverteidigung den Vorzug gegenüber Nico Elvedi, Cédric Zesiger oder Stefan Gartenmann. Yakin resümierte, Amenda habe seine Aufgaben alles in allem gut erledigt, wobei teils die Abstimmung gefehlt habe. "Wenn der Gegner schnell rotiert hat, hatten wir Mühe. Das müssen wir anschauen."
Den Schweizern bleibt jedoch nicht mehr viel Zeit, die optimale Abwehr zu finden. In der Nacht auf Mittwoch steht das letzte Testspiel auf dem Programm, bevor von September bis November die sechs Gruppenspiele der WM-Qualifikation ausgetragen werden. Bis dahin müssen Kobel und seine Vorderleute ihre Strategie gefunden haben, um endlich einmal ohne Gegentreffer vom Feld zu gehen.