Im exklusiven Sky Interview spricht der deutsche Coach über den Triumph und verrät auch, ob er sich eine Rückkehr in der Bundesliga vorstellen kann.
Sallih hupt sich den Weg frei. Der persönliche Fahrer von Matthias Jaissle will den deutschen Erfolgstrainer und dessen Freundin Lisa nach dem 2:0-Triumph im Finale der Asien Champions League über Kawasaki Frontale so schnell wie möglich nach Hause bringen. Er nimmt nach Absprache mit der Polizei den Weg durch den Gegenverkehr. Die im Stau stehenden Fans, die grün-weisse Schals und Fahnen aus den Fenstern hängen, hupen und schimpfen. Erst als sich rumspricht, dass Jaissle im schwarzen Van sitzt, machen sie Platz und klatschen Beifall.
Es ist das verrückte Leben von Matthias Jaissle in der Wüste. Seit zwei Jahren ist er Trainer von Al Ahli SC. Und seit Samstag der jüngste Trainer, der die AFC "Königsklasse" gewonnen hat. Am Tag nach dem Erfolg hat sich der 37-Jährige in einem Hotel an der Corniche Zeit für ein Interview genommen. Ein Gespräch über eine verrückte Party ohne Alkohol, Kritik am Wüstenwechsel, das mittelfristige Ziel Bundesliga und seinen persönlichen Trainerfavoriten.
Frage: Sie dürfen sich offiziell Champions-League-Sieger nennen. Konnten Sie das schon realisieren?
Jaissle: Nein, ich konnte das alles noch nicht verdauen. Wir hatten viele Termine, viele Eindrücke. Es braucht bestimmt noch ein paar Tage, um das zu realisieren.
Frage: In der Stadt ist nach dem Titelgewinn ein Verkehrschaos ausgebrochen. Die Fans feierten mit Auto-Corso, am Tag danach kamen Tausende an die Corniche, um die Mannschaft zu feiern.
Jaissle: Das war verrückt. Wir wussten schon, dass unsere Fans besonders sind. Aber das war schon einmalig. Die Stimmung war grandios. Die Jungs haben alle gesagt, dass sie so was noch nicht erlebt haben.
Frage: Roberto Firmino und Riyad Mahrez, die mit Liverpool und City die UEFA CL gewonnen haben, waren ebenfalls On Fire. Gerade Mahrez fiel auf dem Wagen als DJ auf.
Jaissle: Das kann er ganz gut. Da ist er ganz vorne dabei (lacht).
Frage: Eine Feier ohne Bier und Alkohol. Unvorstellbar für viele Europäer. Wie war das für Sie?
Jaissle: Es gab tatsächlich gar keinen Alkohol. Auch für uns im Trainerteam war es neu, mal so zu feiern. Die Momente nimmt man schon deutlicher wahr. Das ist ein Vorteil. Ich hätte aber schon gerne ein Bier gehabt.
Frage: Geht es nach der Saison nach Deutschland?
Jaissle: Da wird erst mal Urlaub anstehen. Abschalten. Dann geht's nach Deutschland, um Familie und Freunde zu besuchen. Ich freue mich schon richtig drauf.
Frage: Sie leben hier in Dschidda im Hotel. Die französische Trainerlegende Laurent Blanc, die den Stadtrivalen Al Ittihad trainiert, lebt ebenfalls hier. Tauschen Sie sich regelmässig aus?
Jaissle: In der Tat. Er ist ein sehr angenehmer Trainerkollege. Es gibt viele Situationen, in denen wir uns austauschen. Ich fühle mich hier im Hotel wohl, wir haben ein kleines Appartement. Das passt schon.
Frage: Sie sind nach der Entlassung von Jorge Jesus bei Al Hilal der dienstälteste Trainer in der Saudi Pro League. Seit zwei Jahren sind Sie schon in der Wüste. Hätten Sie 2023 damit gerechnet?
Jaissle: Wir sitzen in unserem Job auf einem Schleudersitz. Umso dankbarer bin ich, dass wir die zwei Jahre jetzt vollmachen konnten. Das ist eine Auszeichnung für den ganzen Verein, die Spieler, den Staff. Der Titel ist etwas ganz Besonderes.
Frage: Zu ihrem Trainerstab gehören Alexander Bade, den wir als Bundesliga-Torwart aus Köln und Dortmund kennen, sowie Alexander Hauser und Engin Yanova. Wie kam es damals eigentlich zu der Auswahl?
Jaissle: Mein Wechsel damals war wild. Es ging alles innerhalb von wenigen Tagen über die Bühne. Wir mussten schnell ein Trainerteam zusammenkriegen, haben uns umgehört, wer passen könnte und viel telefoniert. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Jungs zugesagt haben und teilweise mit ihren Familien hergekommen sind.
Frage: Al Ahli war vor drei Jahren noch in der 2. Liga. Inwiefern mussten Sie hier neue Strukturen einführen?
Jaissle: Hier ist alles noch in der Entwicklung. Dafür sind wir auch da. Am Anfang war noch einiges in den Kinderschuhen, gerade infrastrukturell. Der Verein war aber schnell in der Umsetzung. Das Trainingszentrum wurde beispielsweise in nur drei, vier Monaten gebaut.
Frage: Sie haben damals viel Kritik nach ihrem Blitz-Wechsel von Salzburg in die Wüste geerntet. Ein Vorwurf: 'Der Jaissle geht nur wegen der Kohle dorthin.'
Jaissle: Ich kann die Kritik verstehen. Und natürlich hat auch das Wirtschaftliche eine Rolle gespielt, da muss man schon ehrlich sein. Ich habe mir vor dem Wechsel viele Gedanken gemacht und mit meinen Vertrauenspersonen gesprochen. Ich laufe sicher nicht mit Scheuklappen durch die Gegend. Mein Weggang aus Salzburg fiel mir damals mit all den Begleitumständen schon schwer.
Frage: Saudi-Arabien hat unter grosser Kritik die WM 2034 bekommen. Vieles muss hier noch entschlossen werden. In Dschidda fiel mir zum Beispiel auf, dass es keine Metro oder Bahn gibt. 3 Millionen Einwohner nehmen das Auto.
Jaissle (lacht): Der Verkehr hier ist nicht immer einfach, das stimmt.
Frage: Ihr Vertrag bei Al Ahli läuft noch bis 2026. Im Winter lief es sportlich nicht, der Sportdirektor Lee Congerton hatte damals sogar schon mit Massimiliano Allegri verhandelt. Jetzt haben Sie die besten Karten, um zu verlängern. Die Fans hier fordern das.
Jaissle: Schauen wir mal. Ich weiss nicht, was die Zukunft bringt. Aufgrund meiner Spielervergangenheit weiss ich, dass man seine Zukunft nicht planen kann.
Frage: Wie sehr reizt Sie ein Trainer-Job in der Bundesliga?
Jaissle: Die Bundesliga ist eine Top-Liga in Europa. Das hat immer einen Anreiz! Ich bleibe aber in der Gegenwart und geniesse jetzt erst mal den Moment. Und der Fokus geht auf die restlichen Spiele in der Liga mit Al Ahli.
Frage: Bis wann wollen Sie Ihre Zukunft entschieden haben?
Jaissle: Ich bin da ganz entspannt. Das habe ich mir angewöhnt und fahre gut damit. Nach der Saison wird reflektiert. Und dann schauen wir, wohin die Reise geht.
Frage: Sie sind erst 37, haben schon drei Titel mit Salzburg und einen mit Al Ahli geholt. Marco Rose hat mal gesagt, dass er nicht ewig lange Trainer sein will. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Jaissle: Ich bin selbst gespannt, wie ich mal denken werde. Aktuell kann ich mir eine Zeit ohne den Trainerjob überhaupt nicht vorstellen. Bei mir juckt es gerade noch extrem. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dem Fussball irgendwann mal den Rücken kehre.
Frage: Wie würden Sie sich eigentlich als Typen beschreiben?
Jaissle: Das überlasse ich ihnen, sie haben mich ja jetzt ein paar Tage begleiten können.
Frage: Ich würde sagen: Privat ruhig, als Trainer aber impulsiv, laut, ehrgeizig und akribisch.
Jaissle: Das trifft es ganz gut. Ich glaube, ich bin privat eher der ruhige und reflektierte Zeitgenosse. Auf dem Platz bin ich aber emotional und auch mal laut, so war ich auch als Spieler. Dieser Art werde ich mir immer treu bleiben.
Frage: Sie mussten Ihre Fussballerkarriere wegen einer Knieverletzung in Hoffenheim mit nur 25 Jahren beenden. Welche Erinnerungen haben Sie?
Jaissle: Geile Erinnerungen mit dem Durchmarsch von Regionalliga in Bundesliga. Aber auch schmerzliche Erfahrungen aufgrund meines jungen Karriereendes.
Frage: Haben Sie eigentlich ein Trainervorbild?
Jaissle: Ich habe von jedem was gelernt. Ralf Rangnick ist sicher einer, mit dem ich viel rede. Er war mein Trainer in Hoffenheim und später mein Mentor. Ich hole mir auch Impulse von anderen Trainerkollegen. Aber ich will niemanden kopieren, sondern meinen eigenen Weg gehen. Ich glaube, bisher gelingt mir das ganz gut.
Frage: In Salzburg haben Sie mit spannenden Spielern wie Sesko, Adeyemi oder Kristensen gearbeitet. Wer schafft den grössten Durchbruch?
Jaissle: Ich gehe auf alle dreimal ein. Sesko war in der U18 schon irre, ein unfassbares Talent. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise. Karim hatte ich in Liefering und Salzburg, ein geiler Typ, ein unfassbarer Fussballer und eine Waffe mit seiner Geschwindigkeit. Er tut jeder Mannschaft gut. Rasmus ist Rasmus. Ein unfassbarer Mensch und Typ. Ein Motivator, der alle pusht und mitnimmt, Fans wie Mannschaft. So einen Spieler hat jeder Trainer gerne in seiner Mannschaft. Er reisst alle mit. An die Meisterfeier mit Ras habe ich noch gute Erfahrungen.
Frage: Was war da? Bitte klären Sie auf.
Jaissle: Ich drücke Dino die Daumen, dass er am Ende was zu feiern hat, er kann bei der Party nämlich voll auf Ras vertrauen. Mehr verrate ich nicht (lacht).