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Fabio Celestini und der FC Sion: Russland lockt - oder doch das Geld?

Patrick

Kein Titel wurde vergeben, kein Spiel verloren und doch sorgten Fabio Celestini und der FC Sion in den vergangenen beiden Wochen für grosse Ausschläge im Schweizer Fussball-Kosmos. Der Grund: Beide erlagen Angeboten aus dem aktuell aufgrund des Angriffskrieges mit der Ukraine international sanktionierten Russland. Natürlich (nicht) aufgrund der sportlichen Herausforderung.

IMAGO_SDNA_Stolz und trotiz bein einem grossen Klub arbeiten zu können
Stolz und trotzig, bei einem "grossen Klub" arbeiten zu dürfen: ZSKA-Coach Fabio Celestini © IMAGO / SNA

Den Kopf verloren

Stellen Sie sich vor: Sie sind erfolgreicher Fussballtrainer, seit rund 30 Jahren als Spieler oder Coach im Business und bekommen nun eine Vertragsofferte, die finanziell ziemlich attraktiv, aber mit zahlreichen Haken versehen ist. So dürfen Sie zum Beispiel nicht mehr in Ihre Schweizer Heimat zurückreisen, solange sie von Ihrem Arbeitgeber noch Ihren üppigen Lohn erhalten, der Ihnen aber ohnehin nur in Ihrer prospektiven, neuen Heimat sicher ist. Für Fabio Celestini war dieser Fall klar: «Mach’ ich» sagte der 49-jährige Double-Gewinner mit dem FC Basel und wechselte am 20. Mai zu ZSKA Moskau. Dem russischen Armeeklub mit sehr engen Verknüpfungen zur Regierung Putins und in Besitz der russischen Staatsbank WEB, einem der grössten Treiber der russischen Kriegswirtschaft. Entsprechend happig sind die internationalen Sanktionen gegenüber Celestinis neuem Klub, entsprechend bescheiden die unmittelbaren sportlichen Möglichkeiten. Was zum Henker hat sich der für gewöhnlich eher wählerische Romand bei dieser Geschichte also gedacht? Kaum vorstellbar, dass der ehemalige Captain von Olympique Marseille nach drei Jahrzehnten im Profifussball finanziell nicht auch auf das Engagement in der russischen Hauptstadt hätte verzichten können. Tat er aber nicht, genauso wenig wie der FC Sion, der in der kommenden Woche für eine Prämie von CHF 300'000 nach St. Petersburg fliegen wird, um dort ein Freundschaftsspiel gegen Zenit auszutragen. Immerhin: Den Wallisern droht aufgrund der Tatsache, dass Zenit Besitzer Gazprom nicht zur Liste der sanktionierten Unternehmen gehört, nicht die Gefahr, auf die ausgemachte Gage verzichten zu müssen. Trotzdem ist der Traditionsverein damit natürlich noch nicht aus dem Schneider. Was ist eigentlich mit der Vorbildfunktion, die ein im ganzen Kanton verankerter Verein mit regionaler Strahlkraft in gesellschaftlicher Hinsicht wahrnehmen müsste? Irgendwann, so vermute ich, heiligt der Zweck dann halt doch nicht mehr alle Mittel.

 

Herausforderung – welche Herausforderung?

Auf ihre fragwürdigen Entscheidungen im Zusammenhang mit den beiden russischen Angeboten angesprochen, sind sich Celestini und sein ex-Klub für einmal einig. Beide weisen jegliche politischen Überlegungen von sich und sprechen derweil von einer grossartigen sportlichen Möglichkeit, die sich ihnen hier anerbietet. Wobei die Frage erlaubt sein muss: Von welcher Herausforderung sprechen die Beiden genau? ZSKA ist wie alle russischen Klubs von sämtlichen Wettbewerbsspielen der UEFA und FIFA ausgeschlossen, das Resultat des militärischen Angriffs auf die Ukraine. Aber vielleicht ist das aus Celestinis Sicht auch ganz gut so. Schliesslich wird die Challenge «Premier Liga» für ihn und seinen Klub noch gross genug, rangiert der sechsfache russische Meister in der internen Hackordnung doch aktuell nur auf Rang 6. Zenit, Krasnodar oder Spartak gaben zuletzt in der heimischen Liga den Ton an, auch wenn ZSKA jüngst mit Rang drei in der Meisterschaft plus Cupsieg eine gelungene Spielzeit absolvierte. Coach Marko Nikolic (SRB, Punkteschnitt von 2,09) ist nun trotzdem nicht mehr da, was auch etwas aussagt über die aktuelle Situation beim Armeeklub sowie in der russischen Beletage, in der derzeit ausser Celestini und den beiden Spaniern Alba (Rostov) und Moreno (Sochi) kein einziger Ausländer als Cheftrainer tätig ist. Und wo genau Christian Constantin eine Herausforderung sieht, wenn er vom Gastspiel bei Zenit spricht, ist auf den ersten Blick zumindest in sportlicher Hinsicht nicht ersichtlich. Es sei denn, er spricht damit die rund 30-stündige Hin-und Rückreise an, die er seinem Team mitten in der Saisonvorbereitung zumutet. Die Vorfreude bei Staff und Spielern dürfte riesig sein, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der FC Sion nur zwei Tage später in Crans-Montana auch noch gegen GC testet.

 

Keystone_Peter Klaumzer StP im Sommer - warum nicht
St. Petersburg im Sommer? Warum nicht, sagen sich Christian und Barth Constantin (Keystone / Peter Klaunzer)

Today’s gain is tomorrow’s pain

Klar, wir wissen alle, wie es für gewöhnlich läuft, wenn an einem Ort (zu) viel Geld mit im Spiel ist. Auch der Fussball vergisst schnell, es gibt fast nichts, was durch ein paar Siege nicht in den Hintergrund gedrängt werden kann, bis es irgendwann nahezu komplett in Vergessenheit gerät. Und trotzdem muss man sich mit Blick auf die Schweiz fragen, welche Türen Fabio Celestini eines Tages noch offen stehen werden, sollte er in den hiesigen Fussball zurückkehren wollen. Gewiss, im Ausland mag sein Wechsel nicht einmal eine Randnotiz gewesen sein, hierzulande jedoch schlug sein Umzug nach Russland während Tagen hohe Wellen. Aktuell scheint es auf alle Fälle schwer vorstellbar, den ehemaligen Nationalspieler mittelfristig wieder an einer Schweizer Seitenlinie zu sehen. Und der FC Sion? Die unmittelbaren Auswirkungen dessen Russlandreise dürften im überschaubaren Rahmen einiger Protestmails und vereinzelter gegnerischer Schmähgesänge bleiben. Aber warum ist das eigentlich so? Als Sponsor des FC Sion würde ich zumindest ein Gespräch mit der Klubführung suchen und mich ernsthaft fragen, ob der Match der Werte meines Unternehmens  und deren des Klubs weiterhin gegeben ist. Aber möglicherweise gibt es diese starken Partner im Kosmos des FC Sion auch überhaupt nicht, lebt der Klub in sehr grossen Stücken von Constantins Hand, die ihn (durch)füttert. Das hat auch seine Vorteile, können so doch auch komplexe Sachverhalte schnell und ohne grossen Diskurs gelöst werden. Ob dem Klub damit aber auch perspektivisch und an der eigenen Basis etwas Gutes getan wird, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

 

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