Thema vor und nach dem 0:1 beim dritten Klub-WM-Gruppenspiel gegen Benfica: die Temperaturen von knapp 40 Grad Celsius. Sky Sport Reporter Kerry Hau war vor Ort und schildert seine Eindrücke.
Das Bank of America Stadium in Charlotte. Herrlich zentral gelegen. Von aussen und innen nett anzuschauen. Platz für über 70.000 Menschen. Hier lässt es sich aushalten, glaubte ich, als ich vor ein paar Wochen den Spielplan der Klub-WM studierte und feststellte, dass der FC Bayern hier sein letztes Gruppenspiel gegen Benfica bestreiten darf. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar: Es wird einer der anstrengendsten Arbeitstage - nicht nur für die Spieler auf dem Rasen, sondern auch für mich. Denn: Von den amerikanischen Wetterbehörden wurde der heisseste Tag des Jahres - mit bis zu 40 Grad Celsius - vorausgesagt. Mein Tagebuch aus der Hitze-Hölle!
8:30 Uhr: Mein 14. Tag bei der Klub-WM beginnt. Ich stehe auf und sehe erstmal über 30 Benachrichtigungen auf meinem Handy. Die Zeitverschiebung - ich bin hier in den Staaten sechs Stunden hintendran - ist beruflich wie auch privat sehr herausfordernd. Ich springe wie fast jeden Vormittag seit meiner Ankunft in den USA erstmal fix unter die kalte Dusche, esse einen kleinen Happen und plane dann meinen Tag. Als Reporter für Sky Sport erwarten mich an einem Spieltag viele Aufgaben - vor dem Anpfiff hauptsächlich Live-Schalten in unser Sky Sport News Programm.
"Stay hydrated und Sonnencreme benutzen"
10.10 Uhr: Beim Verlassen des Hotels - mittlerweile schon mein viertes bei dieser reiseaufwändigen Klub-WM - weht mir erstmal ein warmer Föhn entgegen. Es geht aber schlimmer, denke ich mir. Zumal ich eh nur fünf Minuten zum Stadion laufe. Und weil ich auf dem Weg dorthin sogar noch eine echte Kaffeerösterei finde, die mir zur Abwechslung mal einen richtigen Espresso statt einen Starbucks-Zuckerschock beschert, baue ich gut gelaunt meine Technik für die erste Live-Schalte auf, die mittlerweile sehr gut über mein Smartphone funktioniert. Ich finde sogar ein schattiges Plätzchen. Und es weht sogar ein leichter, angenehmer Wind. Passt schon!
11.19 Uhr: "Stay hydrated und Sonnencreme benutzen", schreibt mir meine Kollegin Lisa aus der Sky Sport Redaktion in Unterföhring, nachdem die ersten beiden Live-Schalten problemlos geklappt haben, mein schattiges Plätzchen vor dem Stadion aber mittlerweile gar nicht mehr so schattig ist. Ich antworte süffisant: "Danke, Mama!" Überzeugt davon, dass das alles heute gar nicht so anstrengend wird. Haha. Von wegen.
Goretzka bekennt sich zu Bayern
11.45 Uhr: Ich werde ins Programm unserer Kollegen von Sky Sports UK geschaltet, die natürlich wie immer wissen wollen, wie sich Harry Kane so schlägt. Da die Bayern ihre ersten beiden Gruppenspiele gewonnen hatten und bereits sicher für das Achtelfinale qualifiziert waren, galt es thematisch ohnehin eher auf einzelne Spieler einzugehen. Nicht nur auf Kane. Auch auf Leon Goretzka zum Beispiel, der am Tag vor dem Spiel bei uns am Mikrofon klar gemacht hatte, sich auch in der neuen Saison in München zu sehen. Oder auf die Entscheidung von Vincent Kompany, Manuel Neuer im Tor zu lassen und Talent Jonas Urbig keine Chance zu geben. Der Tag wirkt auf mich weiterhin relativ normal - bis plötzlich die Mittagssonne kickt, ich an meinem T-Shirt herunterschaue und mir klar wird: Ich brauche zeitnah ein Ersatzoberteil.
12.01 Uhr: Eine halbe Stunde Pause. Gold wert bei den stetig steigenden Temperaturen. Denn jetzt sind es schon über 30 Grad. Ich nehme mir vor, schnell etwas Vernünftiges zu essen, um den Tag gut zu überstehen - und finde in der Nähe des Stadions einen heruntergekühlten Frühstücksladen. Als ich gerade zwei Avocado-Toasts mit Eiern bestelle, merke ich, dass die Sonne in kürzester Zeit schon mehr als die Hälfte meines Handy-Akkus gezogen hat. Weil ich meine Powerbank nicht sofort opfern will, muss ich also etwas länger dortbleiben, um mein Smartphone zu laden, damit ich bei den weiteren Live-Schalten kein Malheur erlebe. Das wiederum bringt meinen Plan etwas durcheinander, noch am Teamhotel der Bayern vorbeizuschauen, wo um 13.15 Uhr die Busabfahrt stattfindet.
Fussball-Euphorie kommt auf
12.45 Uhr: Wie so oft im Job eines Reporters ist Improvisation gefragt. Und weil es zum Teamhotel eine gute Viertelstunde zu Fuss ist, halte ich auf halbem Weg dorthin einfach an, um meine nächste Live-Schalte zu machen. Schön, dass ich dabei ein paar kleine einheimische Fans mit ihren Eltern treffe. Zwei Jungs im Bayern-Trikot und ein Junge im Benfica-Trikot machen meine Schalte lebendiger, sorgen für Stimmung und bestätigen meinen Eindruck: Trotz der bisher kaum ausverkauften Stadien kommt durchaus Fussball-Euphorie bei den Menschen hier auf.
13.08 Uhr: Ich komme am Teamhotel der Bayern an und fühle mich einmal mehr bestätigt: Über 250 Fans aus aller Welt warten sehnsüchtig auf Thomas Müller und Co. - und gehen steil, als der Bus Richtung Stadion abfährt. Dann sehen fünf asiatische FCB-Fans mein Sky Sport Mikrofon, kommen auf mich zu und fragen mich nach einem Foto. Sie würden mich von Instagram und X kennen und seien dankbar, dass ich sie mit Nachrichten über ihren Lieblingsverein versorge, sagen sie. Ich freue und bedanke mich - indem ich ihnen anbiete, einfach eine Live-Schalte mit mir zu machen. Ich bin beeindruckt, wie gut Niko, ein Fan aus Indonesien, informiert ist. Er wünsche sich von Kompany, mehr auf eigene Jugendspieler zu setzen. Der Verein müsse den nächsten Aleksandar Pavlovic "promoten". Er findet Lennart Karl cool. Und er hofft, dass Müller gar nicht mehr in die MLS wechselt, sondern einfach seine Karriere als "One-Club-Player" beendet. Jener Fan drückt mir sogar eine Postkarte für Müller in die Hand - mit der Bitte, sie ihm in nächster Zeit mal zu geben. Im ersten Satz steht: "Servus Thomas und danke, dass du meine Inspiration in den vergangenen 15 Jahren warst." Die Magie des Fussballs!
13.45 Uhr: Nach meiner letzten Schalte realisiere ich, dass ich vielleicht endlich mal mein T-Shirt wechseln muss, bevor ich mich Richtung Stadion aufmache. In meinem Hotel angekommen, gehe ich direkt nochmal duschen. Besser ist's. Für mich. Für alle Beteiligten. Zum Glück habe ich mir in weiser Voraussicht bereits genügend Kleidung und auch einen kleinen Stadion-Kulturbeutel eingepackt. Ich will schliesslich nach dem Spiel nicht völlig verschwitzt in der Mixed Zone auftauchen, wo die Spieler zu den Interviews kommen.
Kein Schatten in Charlotte
14.35 Uhr: Frisch und fit komme ich im Bank of America Stadium an. Blöd nur, dass die Heimatstätte der Carolina Panthers wie so viele Arenen in den Vereinigten Staaten nicht einmal einen Ansatz von einer Überdachung bietet. Und damit keinen Schatten im Sommer. Ein Blick auf die Ränge verrät: Ausverkauft wird das Stadion heute sicher nicht sein. Kein Wunder bei diesen brutalen Bedingungen. 36 Grad Celsius werden mir in meiner Wetter-App angezeigt. Gefühlt sind's aber mindestens fünf mehr.
15.00 Uhr: Anpfiff zum Duell um den Gruppensieg. Ich bin froh, dass ich das Spiel in der heruntergekühlten Pressebox schauen kann. Leider bekomme ich durch die Glasscheibe akustisch weniger von den Rängen mit. Aber das kann ich heute verkraften. Zumal von den bis zu 60.000 von der FIFA erhofften Fans nicht einmal die Hälfte am Start ist. Bayern-Trainer Kompany lässt seine Ersatzspieler die Partie sogar in der Kabine verfolgen, weil es draussen zu heiss ist.
15.55 Uhr: Die aberwitzige Sauna-Prüfung macht den Bayern zu schaffen. 0:1 zur Pause. Eine müde und träge Vorstellung, obwohl Kompany einige Jungs aus der zweiten Reihe aufgeboten hat, die sich für mehr Spielzeit eigentlich zeigen müssten. Zur Pause kommt eine Fotografin vom Pitch hoch in die Pressebox und sagt nur kopfschüttelnd: "So eine Hitze habe ich noch nie in einem Stadion erlebt!"
Hitze keine Ausrede für FCB-Stars
17.02 Uhr: Das Spiel ist vorbei. Und auch wenn die Bayern in Durchgang zwei dank der Einwechslungen von Leistungsträgern wie Michael Olise oder Joshua Kimmich sowohl der Hitze als auch dem Gegner mehr als getrotzt haben: Es bleibt beim 0:1 aus Sicht des deutschen Rekordmeisters. Benfica zieht damit als Gruppensieger in die K.o.-Phase ein, und die Bayern treffen im Achtelfinale nun auf Flamengo aus Rio de Janeiro. Ich mache mich für die Interviews in Richtung Mixed Zone - gespannt darauf, was die Spieler zum Hitze-Wahnsinn von Charlotte sagen.
18.31 Uhr: Die Mixed Zone ist durch - mit klaren Worten der Leitwölfe Neuer und Müller, die das Wetter keineswegs als Erklärung für die schwache erste Halbzeit verstanden wissen wollen. "Es lag auf gar keinen Fall an der Hitze", so Neuer. Müller: "Es gibt einfach Tage, da bringst du nicht deine Leistung. Aber wir haben ja in der zweiten Halbzeit gezeigt, dass die Hitze jetzt nicht das grosse Problem war." Anstrengend war's trotzdem. Auch für mich. Und so muss ich trotz aller Vorbereitungen nach Feierabend zum dritten Mal duschen und zum zweiten Mal das T-Shirt wechseln. Die wohl einzig gute Nachricht nach diesem Nachmittag: Die Bayern kommen durch die Niederlage nicht mehr in die Hitze-Hochburg Charlotte. Fürs Achtelfinale gegen Flamengo geht's wieder nach Miami!
