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"Ich wollte eine Schockwirkung erzeugen"

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Ende März hat Winterthur wie der sichere Absteiger aus der Super League ausgesehen. Nun hat es das Team in den eigenen Füssen, den Ligaerhalt zu schaffen.

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Trainer Uli Forte hat bei Winterthur einiges bewirkt © KEYSTONE/MICHAEL BUHOLZER

Trainer Uli Forte spricht im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor dem wegweisenden Heimspiel gegen Yverdon am Samstag um 18.00 Uhr über die Gründe des Hochs, den Umgang mit Druck, schwierige Zeiten und wie er eine Schockwirkung erzeugt hat.

Uli Forte, nach sechs Partien mit fünf Siegen und einem Unentschieden erlitt Ihr Team am Dienstag mit dem 1:4 beim FC Zürich einen Rückschlag. Ist dieses Spiel einfach abzuhaken, da die Leistung abgesehen von der Effizienz gut war?

"Absolut, in den vorangegangenen sechs Partien lief es eher für uns. Nun ist es mal wieder gegen uns gelaufen. Im Fussball gleicht sich das aus. Wichtig ist, dass wir uns gut erholen und alles quasi auf Null stellen. Nun zählen nur noch die letzten beiden Heimspiele, angefangen mit Yverdon."

Es geht extrem eng zu und her im Abstiegskampf. Die letzten drei Teams liegen innerhalb von einem Punkt.

"Es war immer unser Ziel, so lange wie möglich im Kampf um den Ligaerhalt dabei zu sein. Zeitweise sah es ja extrem schlimm aus. Darum sind wir 'gottenfroh', dass es wieder so eng ist."

Wie gehen Sie mit dem grossen Druck um?

"Ich durfte das schon ein paar Mal erleben. Darum ist das nichts Neues für mich. Ich achte vor allem auf Details, versuche, möglichst wenig Fehler zu machen. Aber dass ich einen grossen Druck verspüre, das ist nicht der Fall. Ich will so oder so jedes Spiel gewinnen - egal, in welcher Phase der Meisterschaft oder gegen welche Mannschaft. Deshalb mache ich mir selber Druck. Der Unterschied ist, dass aufgrund der engen Situation viel darüber gesprochen und geschrieben wird."

Wie sieht es mit dem Abschalten aus? Fällt Ihnen das einfach?

"Man muss abschalten, um nachher wieder Vollgas geben zu können. Wenn man die ganze Zeit nur an Fussball denkt, verkopft man sich - und das möchte ich nicht. Auch die Spieler müssen abschalten. Die Regeneration ist das A und O. Es gilt, uns jeweils zu hundert Prozent zu erholen. Das ist das Thema im Moment."

Ihre Karriere ist geprägt von vielen Aufs und Abs. Winterthur ist bereits Ihr zehnter Verein als Profitrainer. Bei Arminia Bielefeld wurden sie nach nur fünf Pflichtspielen entlassen. Wie stark haben all die gemachten Erfahrungen Sie abgehärtet?

"Das ist natürlich eine Lebensschule. Ich kenne niemanden, bei dem es im Leben nur aufwärts gegangen ist. Es gibt immer schwierigere Phasen. Entscheidend ist, sich durch solche Phase durchzukämpfen. Dann kommen auch wieder Hochs - wie bei uns. Nun geht es darum, das Kapitel positiv abzuschliessen. Das ist unser Ziel."

Wenn Sie sich vergleichen mit dem Uli Forte zu Beginn Ihrer Trainerkarriere. Welches sind die grössten Unterschiede?

"Ich bin viel ruhiger geworden, bewahre nun mehrheitlich einen kühlen Kopf. Und ich kann vieles besser einschätzen. Meine grösste Erkenntnis ist, dass es immer weitergeht. Nach Bielefeld verging mir zwischenzeitlich die Lust am Fussball. Ich hatte ich die Nase voll. Mit der Zeit kehrte dann die Leidenschaft zurück, und ich war wieder bereit für ein neues Kapitel."

Ist Ihnen die Entlassung in Bielefeld am nächsten gegangen, zumal Sie gar keine richtige Chance erhielten?

"Ja, absolut, vor allem, weil mein Traum ist, mal in der Bundesliga zu arbeiten. Auch die Serie A ist interessant. Obwohl ich Italiener bin, würde ich mich aber für die Bundesliga entscheiden, weil dort das gesamte Paket besser ist. Dann bei Bielefeld so rausgeschmissen zu werden, war wie ein brutaler Schlag ins Gesicht. Geholfen hat, dass nicht ich das Problem war. Nach mir sind noch zwei weitere Trainer gekommen, dennoch sind sie abgestiegen (in die dritte Liga). Es freut mich nun ungemein für die Fans und den Klub, dass sie nun im Pokal im Final stehen und wieder aufgestiegen sind. Die Fans dort sind überragend. Im öffentlichen Training, das meistens am Sonntag war, kamen sie in Scharen und blieben trotz der Niederlagen immer positiv. Das ist mir geblieben. Das war wahnsinnig toll."

Früher haben Sie bewusst auf eine Partnerin verzichtet, um sich voll auf den Fussball konzentrieren zu können. Nun sind Sie verheiratet und Vater eines Jungen. Wie hat sich das auf Sie als Trainer ausgewirkt?

"Wenn nach einem Spiel wie am Dienstag (gegen den FCZ), in dem wir zur Pause 3:0 hätten führen müssen und am Ende 1:4 verloren, dein Kleiner dir entgegenläuft und dich umarmt, dann relativiert das alles. Dann fällt alles in kürzester Zeit von dir ab. Früher ordnete ich alles dem Fussball unter, wollte ich niemandem ein solches Leben zumuten, das sich damals nur auf dem Fussballplatz und im Stadion abgespielt hat. Doch dann klopfte die Liebe an die Tür. Während meiner Zeit in St. Gallen wäre ich in den schwierigen Phasen froh gewesen, wenn mich jemand in den Arm genommen hätte, wenn ich nach Hause gekommen bin. Stattdessen war die Wohnung leer. Und dann kommen die Gedanken nicht vom Fussball weg."

Bei St. Gallen wurden Sie ja das erste Mal entlassen, was ein einschneidendes Erlebnis gewesen sein dürfte.

"Absolut, zumal du als junger Trainer denkst, unentlassbar zu sein. Wenn es dich dann plötzlich erwischt, ist das wie ein kleines Erdbeben. Ich schloss mich dann sofort meinem Bruder an, der nach New York gereist war. Das half mir. Allein wäre es schwierig gewesen, das Ganze zu bewältigen. Es ist wichtig, sich Hilfe zu holen, wenn man Probleme hat."

Gilt man im Fussball nicht als schwach, wenn man Hilfe holt?

"Nein, das ist im Gegensatz zu früher nicht mehr so. Nichtsdestotrotz könnte im mentalen Bereich im Fussball noch mehr gemacht werden. Denn wenn der Kopf nicht stimmt, kannst du alles vergessen. Das Mentaltraining ist aber eine individuelle Geschichte. Es in einer Mannschaft zu implementieren, ist schwierig, da jeder andere Interessen hat."

Als die Anfrage von Winterthur kam, war es für Sie sofort klar, den Job anzunehmen? Sie standen ja noch bei Neuchâtel Xamax unter Vertrag.

"Winterthur ist für mich eine spezielle Stadt (er besuchte dort das Gymnasium) und der FC Winterthur ein spezieller Klub. Man sagt ja nicht umsonst, dass er ein Kultverein ist. Von daher war für mich klar, das Angebot anzunehmen, wenn es im Grossen und Ganzen meinen Vorstellungen entspricht. Ich war froh, dass Jeff Collet, der Präsident von Xamax, unser Gentleman Agreement einhielt. Das spricht für seine Persönlichkeit - und dafür bin ich ihm dankbar. Wir hatten abgemacht, dass ich ohne Probleme gehen kann, wenn ein Verein aus der Super League kommt."

In den ersten fünf Spielen unter Ihrer Führung holte Winterthur lediglich einen Punkt. Der Rückstand auf den Vorletzten wuchs auf sieben Zähler. Hatten Sie nie Zweifel?

"Nein. Und wissen Sie, warum? Auch in diesen fünf Partien zeigten wir sehr Gutes. Gegen Lugano beispielsweise führten wir zur Pause 2:0, ehe wir in der Nachspielzeit noch 2:3 verloren. Deshalb war mir klar, dass mehr Potenzial vorhanden ist, als man sah. Ich wusste, dass es irgendwann drehen muss, wenn wir so weiterarbeiten. Die Jungs reagierten stets sensationell, standen nach Tiefschlägen immer wieder auf. Das ist das Entscheidende."

Nach dem 0:2 gegen den FC Zürich am 6. Februar fühlten Sie sich von den Schiedsrichtern ein weiteres Mal ungerecht behandelt und griffen die Liga an, indem Sie sagten: "Wenn die Liga möchte, dass wir nicht mehr in der Super League sind, soll sie es uns einfach sagen." Wollten Sie damit eine "Jetzt-erst-Recht-Stimmung" im Team schaffen?

"Absolut. Es war von Anfang an ein Thema, dass die Mannschaft böser werden und viel mehr die Krallen ausfahren muss. Ich machte diese Aussage bewusst - im Wissen, was mich erwartet. Ich wurde denn auch überall dafür extrem kritisiert. Doch ich wollte eine Schockwirkung erzeugen und glaube, dass dies gelungen ist."

Definitiv. Das zeigen ja die Resultate.

"Schon, aber nun wollen wir es zu Ende bringen. Wir krampften enorm dafür, es in den eigenen Füssen zu haben."

Am Samstag empfangen Sie das einen Punkt hinter Ihnen liegende Schlusslicht Yverdon. Es ist ein Spiel, in dem es sozusagen um alles geht. Was gibt Ihnen am meisten Optimismus, dass Winterthur auch in der nächsten Saison in der Super League spielt?

"Die Mentalität, der Charakter des Teams. Ich habe ja die Mannschaft in den schwierigsten Zeiten erlebt und nun auch in den besten Momenten. Es ist eine verschworene Truppe, in der es keine Rolle spielt, wer aufläuft. Fabian Frei beispielsweise kommt nicht mehr von Anfang an zum Zug. Dennoch stellt er sich voll in den Dienst der Mannschaft, bringt er gar während dem Spiel die Flaschen nach vorne zum Trinken. Diese Stärke zeichnet das Team aus, und darum bin ich positiv gestimmt."

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