Individuelle Fehler kosten der Schweiz den perfekten EM-Start
Nach der Niederlage des Schweizer Frauen-Nationalteams zum Auftakt in die Heim-EM ist Wundenlecken angesagt. Das Team von Pia Sundhage scheitert mal wieder an sich selbst.
Der Rahmen für einen denkwürdigen Fussballabend war gegeben. Mehr als 34'000 Zuschauer füllten den Basler St. Jakob-Park. Nie zuvor wohnte einem Frauen-Länderspiel in der Schweiz mehr Publikum bei. Und dann dieser Start der wie entfesselt aufspielenden Schweizerinnen. Erst ein Lattenschuss von Géraldine Reuteler, wenig später der verdiente Führungstreffer durch Nadine Riesen. Das "Joggeli" - ein Tollhaus.
"Ein Moment, den ich nie mehr vergessen werde" sagte die Torschützin rund zwei Stunden später in der Mixed-Zone. "Das Gefühl kann ich gar nicht beschreiben. Ich habe einfach die Atmosphäre wahrgenommen, wie alle gejubelt haben." Riesen war in ihrem 31. Länderspiel wie viele andere im Team sichtlich beflügelt von der Ambiance. All jene, die befürchtet hatten, die Kulisse könnte das Heimteam hemmen, wurden eines Besseren belehrt.
Die wohl beste Halbzeit in der Ära Sundhage reichte am Ende nicht für den angestrebten positiven Start ins Heimturnier. Wieder verlor die Schweiz gegen Norwegen, zum dritten Mal innert etwas mehr als vier Monaten. Wie schon in der Nations League, als man in Stavanger mit 1:2 und in Sitten 0:1 verlor, war es keine zwingende Niederlage, sondern vielmehr eine selber verschuldete.
"Fehler passieren. Leider führen sie manchmal zu einem Gegentor", sagte Géraldine Reuteler. Ob die mangelhafte Zuteilung und der Fehlgriff von Goalie Livia Peng vor dem Ausgleich oder das Eigentor von Julia Stierli - es waren einmal mehr Aussetzer in der Schweizer Defensive, welche den Norwegerinnen ermöglichten, ins Spiel zurückzukehren, ja dieses gar zu drehen. Noch in der ersten Halbzeit hatten die Schweizerinnen die zweifachen Europameisterinnen völlig unter Kontrolle. "Du kannst nicht über neunzig Minuten ein perfektes Spiel machen", so Reuteler.
Dieses perfekte Spiel hätte es am Mittwochabend aber auch nicht gebraucht. Nur fehlte den Schweizerinnen in den entscheidenden Momenten das Quäntchen Glück in Form von einigen Zentimetern. Diese fehlten Géraldine Reuteler gleich zweimal: In der ersten Halbzeit bei einem Distanzschuss, der an die Latte prallte, und kurz vor Schluss nach einem tollen Zuspiel von Sydney Schertenleib, als die Nidwaldnerin den Ball nicht an der norwegischen Keeperin vorbeibrachte. "Meine Chance muss auf jeden Fall rein. Dann steht es 2:2, was das richtige Resultat gewesen wäre", sagte Reuteler.
Weil vor dem vermeintlichen Foul an Riesen im Strafraum Alayah Pilgrims Fussspitze in der verbotenen Zone war und der Penalty wegen Abseits zurückgenommen wurde, standen die Schweizerinnen am Ende mit leeren Händen da.
Sie tun dies, klar, mit einem weinenden Auge, weil mehr möglich gewesen wäre. Andererseits mit leuchtenden Augen aufgrund des Wissens, etwas ganz Grosses und Einmaliges erlebt zu haben.
Dass auch Lia Wälti ihren Teil zu diesem Abend beigetragen hat, war lange Zeit nicht absehbar gewesen und darf nebst der Leistung als positiver Punkt aus dem Startspiel mitgenommen werden. Die 32-jährige Emmentalerin ordnete das Spiel mit ihrer gewohnten Ruhe am Ball.
"Wenn Lia auf dem Platz steht, macht sie alle um sich herum besser", schwärmte Pia Sundhage auf der Pressekonferenz nach dem Spiel, als sie noch kein medizinisches Update geben konnte. "Ich habe bisher weder mit ihr noch dem medizinischen Personal gesprochen. Daher weiss ich nicht, wie es ihr geht. Ich hoffe natürlich, dass sie am Sonntag spielen kann."
Dann trifft die Schweiz in Bern auf das ebenfalls noch punktelose Island. Will sie sich für das abschliessende Gruppenspiel gegen Finnland die Option auf den erstmaligen Vorstoss in die K.o.-Phase einer EM aufrechterhalten, heisst es: Verlieren verboten. Sonst könnte wie bei den Männern 2008 bereits nach zwei Gruppenspielen bereits alles vorbei sein.