Keine Spur von Langeweile trotz McLarens Dominanz
Der Rennbetrieb in der Formel 1 ruht für vier Wochen. Trotz der Dominanz der Fahrer des Teams McLaren gibt es bisher keine Langeweile.
Bilder aus früheren Zeiten sollten dokumentieren, wohin der Entscheid in der Chefetage der Equipe McLaren zur Gleichbehandlung der beiden Fahrer führen wird. Es sind Frequenzen, auf denen Kollisionen von Teamkameraden zu sehen sind, von Ayrton Senna und Alain Prost in den McLaren etwa, von Sebastian Vettel und Mark Webber in den Red Bull oder von Lewis Hamilton und Nico Rosberg in den Mercedes. Es sind Szenen, die aus Kollegen erbitterte Feinde gemacht, die ein vergiftetes Arbeitsklima geschaffen haben in Rennställen, die in der Formel 1 den Ton angegeben haben.
Auch Oscar Piastri und Lando Norris geben derzeit den Ton an. Auch ihnen sind Kollisionen prognostiziert worden und mit ihnen der Zerfall der Freundschaft. Die Propheten sollten richtig liegen. Im Grand Prix von Kanada hat es nach einem unüberlegten Manöver von Norris gekracht. Doch die ebenfalls vorausgesagten Konsequenzen sind ausgeblieben. Kein Zwist, kein Ärger, kein vergiftetes Klima - und, vor allem, die Verantwortlichen des Teams McLaren haben an ihrem Beschluss "freie Fahrt für beide" festgehalten.
Gottlob halten Teamchef Andrea Stella und Geschäftsführer Zak Brown an den in Anspielung auf die Grundfarbe Orange der Equipe so genannten "Papaya Rules" fest, fahren sie im Sinne des Sports fort. Der Entscheid garantiert die Spannung im Titelkampf, das lähmende Vorhersehbare im Duell um die Fahrer-Krone gibt es nicht in einem Jahr, in dem an der Spitze wegen der Überlegenheit des McLaren-Duos so vieles vorhersehbar geworden ist.
Beim gegenwärtigen Primus der Formel 1 können sie sich die Vorgabe auch leisten. Wer in 14 Grands Prix elfmal den Sieger stellt, sich 24 von 28 möglichen Podestplätzen sichert und in der Teamwertung doppelt so viele Punkte wie die ersten zwei Verfolger zusammen auf dem Konto hat, hat von der Konkurrenz nichts (mehr) zu befürchten.
Die Ohnmacht in den anderen Teams hat mittlerweile auch den einstigen Krösus Red Bull erreicht. Lange haben sie im Lager der Roten Bullen darauf gehofft, bei der Titelvergabe trotz vieler Nachteile ein Wort mitreden zu können. Max Verstappen hat diese Hoffnung unter anderem mit seinen Siegen in den Grands Prix von Japan und der Emilia Romagna am Leben erhalten. Mit den letzten Entwicklungsschritten am MCL39 haben sie aber auch in Milton Keynes nicht mehr mithalten können. Der auf 97 Punkte angewachsene Rückstand des vierfachen Weltmeisters auf den im Fahrerklassement führenden Piastri ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es für den Niederländer mit der neuerlichen Titelverteidigung nichts werden wird.
Wie sehr das erfolglose Ringen um den Anschluss an den Primus McLaren in der Equipe Red Bull zur Freistellung von Teamchef Christian Horner beigetragen hat, bleibt Gegenstand von Spekulationen. Der Zeitpunkt des Führungswechsels und die Installation des Franzosen Laurent Mekies als Horners Nachfolger hat aber allemal überrascht.
Für weitere Schlagzeilen hat Verstappen gesorgt. Die Gerüchte über die mögliche Abwanderung zum Rennstall Mercedes haben sich bis in die vergangene Woche und klaren Worten des Titelhalters hartnäckig gehalten. Verstappens Votum, auch im nächsten Jahr bei seinem gegenwärtigen Arbeitgeber tätig zu sein, hat den Spekulationen den Riegel geschoben.
Spekulationen hat in den letzten Tagen auch Lewis Hamilton ausgelöst. Weil er sich als Fahrer in Frage gestellt, sich als "nutzlos" bezeichnet und seinen Vorgesetzten bei der Scuderia Ferrari einen Fahrerwechsel nahegelegt hat, sehen nicht wenige Beobachter das Karrierenende des Engländers nahe - ungeachtet dessen, dass er mit seiner nachgeschobenen Erklärung, den "Sport nach wie vor zu lieben", seinen Worten etwas die Brisanz genommen hat.
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass Hamilton zu den grossen Verlierern im bisherigen Saisonverlauf gehört. Er hat die Bindung zum Team noch nicht gefunden, die Leichtigkeit am Steuer des SF-25 geht ihm ab. Auch Hamilton hat seinen Teil dazu beigetragen, dass die Roten in diesem Jahr noch ohne Grand-Prix-Sieg dastehen. Rang 2 in der Teamwertung ist da ein schwacher Trost.
Zufrieden sein mit dem Verlauf der Saison dürfen sie dagegen in der Equipe Sauber. Zählbare Ergebnisse an den letzten sechs Rennwochenenden mit Platz 3 von Nico Hülkenberg im Grossen Preis von Grossbritannien zeugen davon, dass sie in Hinwil mit den Anpassungen am Auto die richtige Richtung gewählt haben - und dass sie für die Zukunft als offizielles Werkteam von Automobil-Hersteller Audi gerüstet sind. Zu den rosigen Aussichten trägt auch Gabriel Bortoleto bei. Der Rookie aus Brasilien ist in seiner Entwicklung vom "Lehrling" zu einem verlässlichen Fahrer auf sehr gutem Weg.