Schertenleib und Wandeler - zwei Teenager im Rampenlicht
Die 18-jährige Sydney Schertenleib und die ein Jahr ältere Leila Wandeler gehören zum Schweizer Aufgebot für die Heim-EM. Die eine Nomination war immer klar, die andere ist eine grosse Überraschung.
An der Decke hängen Shirts und Wimpel vom FC Barcelona, von Valencia, von Bayern München, natürlich vom FC St. Gallen. Eine Magnettafel zeigt alte und neue Fotos von eigenen Vereinsmannschaften, dazu zwei Geburtskarten, darüber die Überschrift "Frühlingsmeister 2024 Juniorinnen FF-15". Das beschauliche Klubhaus des 2.-Liga-Klubs Abtwil-Engelburg dient dem Schweizer Frauen-Nationalteam in diesen Tagen als Pressekonferenzraum. Grosser Fussball, auch im kleinen Rahmen.
Im Vorort von St. Gallen erstmals im Rahmen des Vorbereitungscamps vor die Mikrofone tritt Sydney Schertenleib. Mit Verspätung rückte die 18-Jährige ein. Zum Auftakt in Magglingen und die Woche darauf in Nottwil war sie noch nicht zugegen. Sie genoss nach der Saison mit dem Gewinn des Doubles mit dem FC Barcelona wohlverdiente Kurzferien. Wobei man nicht wirklich von geniessen sprechen kann. "Ich war krank und entsprechend viel zuhause", sagt das Offensivjuwel. Nun ist sie jedoch wieder bei Kräften, hat die ersten Einheiten mit dem Team absolviert und freut sich auf die kommenden Aufgaben. "Ich bin zwar erst seit Montag da, habe aber ein mega gutes Gefühl. Die Intensität in den Trainings stimmt."
Dass Schertenleibs Nominierung trotz des verspäteten Einrückens nie zur Debatte stand, zeigt ihr Standing im Team von Nationaltrainerin Pia Sundhage. In der Offensive dürfte sie gesetzt sein. Und dies trotz ihres jungen Alters und der erst zwölf absolvierten Länderspiele.
Im Februar 2024 debütierte Schertenleib im Nationalteam. Fünf Monate später wechselte die Zürcherin von den Grasshoppers zum FC Barcelona. Für die Reserve der Katalaninnen vorgesehen, überzeugte sie von Beginn weg so sehr, dass sie schon bald mit der 1. Mannschaft trainieren konnte. Es folgten erste Einsätze bei den Profis, bei denen Schertenleib Eindruck hinterliess.
Ihre Teamkolleginnen heissen Aitana Bonmati oder Alexia Putellas, zwei Weltfussballerinnen, bei denen sie sich vieles abschaut. "An die Intensität der Trainings musste ich mich erst gewöhnen. Die Einheiten sind bei uns oft strenger als die Spiele."
15 Einsätze in der Meisterschaft, fünf in Cup-Wettbewerben und drei in der Champions League mit wettbewerbsübergreifend drei Toren und vier Vorlagen für die Profis: Das sind die Zahlen von Sydney Schertenleib nach der ersten Saison in Barcelona.
Es sind Zahlen, von denen Leila Wandeler derzeit nur träumen kann. Bei Lyon konnte sich die 19-Jährige seit ihrem Wechsel vom YB-Nachwuchs im Sommer 2023 nicht durchsetzen. Lediglich drei Einsätze in der ersten Mannschaft waren der Freiburgerin vergönnt - auch aufgrund mehrerer Verletzungen. Immerhin: Bei ihrem einzigen Spiel in dieser Saison auf höchster Ebene gelang ihr im April gegen Nantes prompt ein Tor.
"Es war eine sehr komplizierte Saison für mich", sagt Wandeler. "Aufgrund einer Hüft- und Fussverletzung habe ich sieben Monate keinen Fussball gespielt." Das erste Aufgebot für das Nationalteam im vergangenen Juli musste sie verletzungsbedingt absagen. Dass Sundhage sie nicht fallen liess, sondern sie auch in den schwierigen Zeiten immer auf dem Radar hatte, weiss Wandeler zu schätzen. Dennoch sagt sie: "Ich konnte mir nicht vorstellen, noch auf den EM-Zug aufzuspringen."
Die Nominierung von Leila Wandeler für das 23-köpfige EM-Kader ist eine faustdicke Überraschung. Zum einen profitierte sie vom Ausfall Ramona Bachmanns, die sie als eines ihrer grossen Vorbilder bezeichnet. Andererseits setzte sie sich gegen namhafte Konkurrenz durch, etwa gegen Seraina Piubel, die immerhin schon 25 Einsätze im Nati-Dress vorzuweisen hat.
Wandeler wartet noch auf ihr Debüt im Nationalteam, hat die Nationaltrainerin in der Vorbereitung aber überzeugt. "Leila hat es verdient, in diesem Team zu sein. Mit ihrer Unbekümmertheit kann sie für uns noch sehr wertvoll werden", konstatierte Sundhage am Montag bei der offiziellen Kaderbekanntgabe in Zürich.
Und auch ihre Teamkollegin Sydney Schertenleib hat nur positive Worte für die Offensivspielerin: "Leila ist technisch sehr gut und schnell, sie weiss mit dem Ball was anzufangen."
Ihr junges Alter und die selbstbewusste Aussage, dereinst den Ballon d'Or - die Auszeichnung zur Weltfussballerin - gewinnen zu wollen, eint Schertenleib und Wandeler. Grosses erreicht haben sie schon. Gemeinsam mit Noemi Ivelj und Iman Beney waren sie Teil der U17-Nati, die 2023 in Estland bis in den EM-Halbfinal vorstiess. Etwas, das die beiden nun mit der A-Nati gerne auch schaffen würden.