Hat Vincent Kompany seine Saison beim FC Bayern erfolgreich gestaltet?
In einer Analyse bayerischer Fussballexperten zieht Sky Sport ein umfassendes Fazit über die erste Saison des belgischen Trainers beim FC Bayern München.
Vincent Kompany ist ein Mann mit klaren Prinzipien – mit Überzeugungen, die von progressiven Fussballfans gefeiert und von Traditionalisten verteufelt werden. Letztere sehnen sich nach einer Zeit zurück, in der der deutsche Rekordmeister seine Titel noch durch pragmatischen Fussball holte. Wie viele Trainer vor ihm – auch Pep Guardiola verfolgte einst einen ähnlichen Ansatz – wollte Kompany dem nüchternen Erfolgsfussball in München neue Impulse geben. Doch er stiess schnell auf Widerstand in einem Umfeld, in dem Fussball fast ausschliesslich durch das Ergebnis bewertet wird.
Das Ergebnis? Eine Welle an Kritik. Die Frankfurter Allgemeine schrieb etwa: „Kompanys Spielstil ist der Grund, weshalb der FC Bayern wieder seine Gegner dominieren kann und wohl auch Meister wird. Aber dieser Stil ist ebenso der Grund, warum der Verein in der Champions League ausgeschieden ist. Kompanys Bayern kann das Spiel nur auf eine Art kontrollieren. Wer aber die Königsklasse gewinnen will, braucht zwei Spielgeschwindigkeiten.“
Diese Analyse deckt sich mit der allgemeinen Einschätzung in Deutschland. Die Welt bemängelt einen gewissen „Mangel an offensiver und defensiver Spielintelligenz“. Ein Spielstil, der zu Saisonbeginn noch begeisterte, erwies sich mit der Zeit als schwer durchzuhalten.
Dabei darf man nicht vergessen: Kompany musste im vielleicht wichtigsten Spiel der Saison – gegen Inter – auf einige seiner besten Spieler verzichten. Manuel Neuer, Jamal Musiala, Dayot Upamecano und Alphonso Davies fehlten. Polo Breitner, Deutschland-Kenner und Experte bei der Sendung L’After Foot auf RMC, versteht dennoch die mediale Kritik: „Nach einem Jahr weiss ich immer noch nicht, ob Kompany ein grosser Trainer, ein Talent mit Potenzial oder einfach ein Fussball-Historiker ist. Sicher ist: Er beherrscht die Kunst der Kommunikation perfekt. Wenn man den Fanblick mal aussen vorlässt, war es eine ordentliche Saison – die Meisterschaft als Teil einer Rückeroberungsstrategie. Entscheidend wird nun das zweite Jahr, da muss er liefern, wie die Deutschen sagen. Ihm zur Last gelegt werden vier Niederlagen in 14 Champions-League-Spielen, das Pokalaus und ein Spielstil, der zu sehr nach Premier League schmeckt. Auf der anderen Seite: Kompany musste mit vielen Ausfällen klarkommen – und der FC Bayern stellt derzeit den ältesten Kader der Bundesliga. Eine Umstrukturierung ist dringend nötig. Was mich persönlich überrascht: Kompany umgeht alle medialen Fallstricke, die dem Klub oder ihm selbst schaden könnten. Er meistert Pressekonferenzen mit Bravour. Im Gegensatz zu Thomas Tuchel hat er den Rückhalt der Vereinsführung. Ich hatte 2025 keine grossen Erwartungen – aber der FCB kann sich nicht ewig mit einer Übergangssaison zufriedengeben. Der Club steht noch immer unter dem Eindruck der Ära Jupp Heynckes und des 'Super Bayern'. Am Ende ist Kompany ein Politiker, der Zeit gewinnt – und sein Standardsatz liegt schon bereit: ‚Ich habe euch den Titel gebracht – nächstes Jahr wird’s besser.‘“
Der Bundesliga-Experte Julien Ielsch, der das Spiel Inter-Bayern für New World TV kommentierte und Kompany danach interviewte, kommt zu einer differenzierteren Einschätzung: „Rein statistisch gesehen war es eine gute Saison. Die dominante Bayern-DNA ist wieder spürbar und eine titellose Spielzeit konnte verhindert werden – was das Schlimmste gewesen wäre. Aber es gab auch viele Probleme: das fehlende Gleichgewicht in der Defensive, taktische Entscheidungen wie Stanišić auf der falschen Seite – während Guerreiro draussen blieb… das war nicht überzeugend. Gegen Bochum etwa, zu Hause, führten sie 2:0 – und gerieten trotzdem mächtig ins Wanken. Diese Niederlage hätte nie passieren dürfen. Hätte Bayer Leverkusen emotional besser auf den Vorjahrestitel reagiert, wäre der FC Bayern vielleicht gar nicht zurück an der Spitze. Der Blick auf die Tabelle allein reicht nicht. Entscheidend ist am Ende, wie sich die Mannschaft tatsächlich präsentiert hat..“
Aaron Cikaya, Content-Creator mit Wohnsitz in Deutschland und langjähriger Bayern-Beobachter, ergänzt: „Taktisch gesehen erspielt sich Bayern in jedem Spiel mindestens vier, fünf klare Chancen. Das Problem ist, dass sie sie nicht nutzen. Genau das war diese Saison das grosse Manko. Man denke nur an das Remis gegen Dortmund im November 2024 – ich habe noch nie so viele vergebene Chancen vom FCB gesehen! Abgesehen von Harry Kane, dem Toptorjäger, fehlt es der Mannschaft an echten Vollstreckern. Leroy Sané ist nicht der Spielertyp, der eiskalt vor dem Tor agiert. Michael Olise leistet sich zu viele unnötige Ballverluste – fast so viele, wie er Chancen vorbereitet. Genau das vermissen die Fans: Effizienz. Der Vergleich mit der Saison 2013/14 hinkt natürlich – aber so eiskalte Spieler wie damals hat der FC Bayern einfach nicht mehr. Man kritisiert Kane, dabei war er an 38 % der Tore beteiligt, erzielte 24 Treffer und gab 8 Vorlagen in der Liga. Mit besseren Mitspielern wäre seine Ausbeute wohl noch höher gewesen.“
Trotz seiner klaren Spielidee wird Vincent Kompany lernen müssen, seine Philosophie zu hinterfragen. Andernfalls könnte diese faktisch erfolgreiche Saison schnell zur Enttäuschung werden.
Denn eines ist klar: Im kommenden Jahr reicht nur noch das Aussergewöhnliche. Kompany weiss das – wie überall im Fussball ist der Trainer der erste, der fliegt.